Klar, draußen wird’s früh dunkel und im Wohnzimmer, da ist plötzlich Stille. Die Pflanzentöpfe kriegen’s schon mit der Angst zu tun, weil die Sonne sich verabschiedet und der Frühling ein Echo in weiter Ferne ist. Aber wer denkt, Aquaristik sei in der kalten Jahreszeit ein Hobby, das sich im Winterschlaf befindet, der hat noch nie einen Aquarianer getroffen. Oh nein. Wenn draußen das Laub fällt, wird drinnen getüftelt wie beim Start der Apollo 13 – mit Taschenlampe und leicht verzweifeltem Blick.
Einmal im Jahr steht da jeder ernsthafte Aquarianer, mit roten Augen, aufgedrehten Heizstäben und einem Gesichtsausdruck, als ob sie die tiefe Antwort auf das Wasser gefunden hätten. Es ist die Zeit, in der die Stirnlampen aufgesetzt werden, die Luftpumpen wieder ausgetauscht und die CO₂-Blasenrate neu eingestellt wird. Keine Ahnung, was es ist – die Dunkelheit draußen? Die längeren Abende? Vielleicht eine Kombination aus beidem, die uns dazu bringt, wie verrückte Wissenschaftler über den Glastank zu hängen und mystische Beschwörungen zu murmeln: Mehr Dünger. Weniger Dünger. Pflanzenwachstum. Algenbefall. Gibt es da einen Zusammenhang?
Die Spezies Aquarianer und ihre Winter-Rituale
Hier trifft man sie, die verschiedene Typen der Aquarianer im Winter:
Der Dauer-Tüftler: Er oder sie sitzt jeden Abend mit einer kleinen Pinzette bewaffnet, um die genau richtige Menge an Düngerkügelchen zu platzieren. Dabei herrscht ein Grad der Konzentration, der bei Chirurgen zur Grundausbildung gehören sollte. Von außen sieht es so aus, als würden sie ein Diorama bauen – man fragt sich, ob da irgendwann ein Ritter in Rüstung drinsteht oder zumindest ein Playmobil-Pirat, der das Geschehen im Blick hat.
Der Technik-Freak: Noch mehr Kabel, noch mehr Pumpen und Heizungen, alle verbunden mit einer App, die den CO₂-Wert, den pH-Wert, den Sauerstoffgehalt und vielleicht auch noch den Beziehungsstatus des Aquarianers selbst überwacht. Der Winter gibt ihm Zeit, über jeden technischen Fortschritt in der Aquaristik zu grübeln, als wären wir auf dem Weg, das geheime Wissen der Unterwasserphysik zu entschlüsseln.
Der Philosophen-Aquarianer: Er steht am Becken, Stirn in Falten gelegt, und sagt Dinge wie „Wasser ist Leben“ oder „Die Blase im Wasser zeigt uns den Kreislauf des Universums.“ Er ist sich sicher, das Universum verstehen zu können, wenn er den idealen pH-Wert trifft. Wenn er sich irrt, verdreht die Guppy-Bande allerdings nur mal kurz die Augen und schwimmt gelangweilt weiter.
Der Show-Off: Dieser Aquarianer ist wie ein Fischer, der mit einem 20-Kilo-Karpfen angibt, den er aus dem Dorfteich gezogen hat. Doch anstatt Fotos von Fischen mit Menschen zu machen, postet er das ganze Aquarium auf Instagram und will dringend Anerkennung. “Schaut mal, meine Amanogarnelen haben jetzt Nanoblubberblasen in ihrem neuen XL-Moosbett!“
Winter-Aquaristik – Warum machen wir das eigentlich?
Der Winter ist nicht nur die Zeit des Tüftelns und des ständigen Wasserwechsels. Er ist auch die Zeit der stillen Verbundenheit. Nennen wir es ruhig mal ein bisschen pathetisch: Da sitzt man, abends, wenn’s draußen schon längst stockfinster ist, nur das sanfte Gluckern und Blubbern des Aquariums im Hintergrund. Es hat etwas Zen-artiges. Ein Moment, in dem man – egal, wie viele Filter man noch einstellen muss – eine Art Frieden findet.
Die Fische, die schauen dir aus ihren funkelnden Knopfaugen zu, als wollten sie sagen: „Schon wieder an den CO₂-Levels gedreht? Lass uns doch einfach schwimmen.“ Und während man die Fische so beobachtet, merkt man plötzlich: Da ist etwas Meditatives dran. Eine Ruhe, die man beim Ausklappen der Ladekabel eines Handys kaum erlebt. Und ja, dann sitzt man da und merkt, dass das Ganze mit dem Aquarium doch mehr ist als nur Wasser und Technik.
Winter ist die Zeit des Zusammentreffens – unter Aquarianern
Spätestens beim ersten Aquaristik-Forum oder dem Workshop im Hobbykeller wird klar: Die Aquarianer sind eine Spezies für sich. Da wird sich über das Algenwachstum genauso ausgetauscht wie über neue Tipps zur Aquascaping-Kunst. Wie die geheimen Versammlungen im Mittelalter, nur dass wir hier über Substrat reden und gelegentlich Seemandelbaumblätter in die Runde werfen. Aquarianer verstehen sich irgendwie, auch wenn sie im realen Leben meist stumm über ihren Tanks hängen und leise vor sich hin murmelnd Filterreiniger mit Pinzetten vergleichen.
Und dann, wenn der Frühling wiederkommt, die Sonne höher steht und die Welt im Gras ertrinkt, dann verschwindet der Aquarianer für eine Weile in den schummrigen Schatten des Alltags und lässt sein Aquarium einfach sein. Bis der nächste Herbst kommt. Bis zur nächsten tüfteligen Wintersaison, wenn das Licht weniger und das Wasser wieder zur kleinen Unterwasser-Wissenschaftsmesse wird.