Advent, Advent, der Wels ist am Zenit

Weihnachten steht vor der Tür. Es klopft nicht, es tritt sie ein. Und während die normalen Menschen in ihren Baumärkten stehen, sich um den letzten Lichterketten-Adapter prügeln und mit einem Blick der Leere fragen, ob das Leben jemals wieder Frieden bringen wird, steht der Aquarianer in der Zoohandlung. Und überlegt, ob ein Kampffisch vielleicht ein bisschen Lametta vertragen könnte.

Aber ich greife vor.

Es fängt immer gleich an: Oma. Die ist nämlich völlig begeistert, dass ich ein Aquarium habe. „Das ist wie Fernsehen, nur mit Wasser!“ sagt sie, und häkelt. Deckchen. Für das Aquarium. „Damit es nicht so kahl aussieht“, erklärt sie, während sie ein kleines Häkelstück in Form eines Weihnachtsbaumes am Filter befestigt. Der Wels starrt sie an wie ein Hausmeister mit zu wenig Schlaf. Man merkt: Es wird Weihnachten.


Dann geht’s los: Der Baum. Kein echtes Weihnachten ohne Baum, auch nicht im Aquarium. Also pflanzt der erfahrene Aquarianer Moos auf eine Wurzel, stutzt das Ganze auf die Form einer Tanne zurecht und ist unfassbar stolz. Der Baum steht. Problem: Die Garnelen schmücken sich selbst. Kleiner Hinweis: Wenn man feststellt, dass alle Garnelen rot-weiß sind und aussehen wie die Flagge von Polen – nicht in Panik verfallen. Das gehört zum Fest.

Währenddessen läuft im Hintergrund die passende musikalische Untermalung: „O Tannenbaum“, aber gespielt auf einer Panflöte mit sanftem Aquariumblubbern als Begleitung. Man könnte meinen, Enya wäre ins Becken gefallen und hätte ein Weihnachtsalbum gemacht.


Die Frage aller Fragen: Brauchen Fische einen Adventskalender?
Antwort: Natürlich nicht. Aber ich habe einen gebastelt. 24 kleine Portionen Frostfutter in Frischhaltefolie. Was gibt’s Schöneres, als morgens eine Garnele dabei zu beobachten, wie sie sich an einem kleinen Futterwürfel labt? Eigentlich alles. Aber ich habe es trotzdem gemacht, denn es ist Advent. Es ist das Fest der Liebe. Auch für Guppys.

Dazu ein Klassiker: „Stille Nacht“, interpretiert von einem Unterwasser-Chor aus Blubbersounds und einem sehr engagierten Betta, der beim Filterauslass wie eine Orgelpfeife wirkt. Es ist so bewegend, dass ich fast das Frostfutter wieder einpacke.


Kommen wir zu Onkel Herbert. Es ist nie wirklich Weihnachten, bis Onkel Herbert versucht, „den Großen da mit den langen Flossen“ zu streicheln. Spoiler: Das ist der Kampffisch. Kampffische heißen nicht so, weil sie freundliche Umarmungen verteilen. Herbert hat danach den dritten Glühwein intus und einen nassen Ärmel. Und ich sitze da, sehe zu, wie er eine Diskussion mit einem Neonsalmler führt, und frage mich, wie ich so weit gekommen bin.

Dazu spielt im Hintergrund eine durchdrehende Spieluhr „Ihr Kinderlein, kommet“, die sich anhört, als hätte jemand vergessen, sie aufzuziehen. Der Kampffisch dreht sich passend dazu in Kreisen, vermutlich vor Wut.


Am Ende ist alles gut. Da sitzt man nun – vor dem Aquarium. Mit Häkeldeckchen, Moosbaum und einem dezent beleidigten Wels. Und in dem ganzen Chaos, zwischen rot-weißen Garnelen und einem leicht feuchten Teppich, merkt man: Weihnachten passiert nicht im Kopf. Es passiert im Herzen. Auch unter Wasser.

Während „Last Christmas“ in der Panflöten-Version verstummt, ein letzter Neonsalmler träge durchs Wasser gleitet und der Kampffisch sich ein Weihnachtsoratorium ausdenkt, hebe ich mein Glas. Und denke: Das ist das Leben.

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